Giftpotenz der Vogelspinnenarten

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  • Hallöchen :]

    Ich interessiere mich extrem für die Gifte der Vogelspinnen und konnte leider bisher nicht wirklich was gutes finden zu deren Potenz u.ä.
    Ich lese immer nur was von "kaum spürbar" bis "etwas schlimmer als ein Bienenstich". Abseits der Poeci Gifte natürlich..
    Gibt es eine gute Quelle, die Vogelspinnenarten mit deren Giftwirkungen (z.B. nervlich/lokal), Potenz, Symptomen und ggf. Erste Hilfe Maßnahmen beschreibt?

    Vielen Dank fürs Wissensdurst stillen.. :blume:

  • Hallo Shiro


    Das Buch „Giftige und gefährliche Spinnentiere“ von Günter Schmidt finde ich persönlich sehr interessant. Es werden dabei, wie es der Titel schon erahnen lässt, auch andere Spinnentiere und deren Gift(wirkung) unter die Lupe genommen.


    Ist jedoch schon ein etwas älteres Buch.


    Gruss Peter

  • Hallo


    In der Feldmedizin bei der Armee haben wir gelernt, das Hitze gegen Insektenstiche hilft. Z.B. das Feuerzeug heiss werden lassen und auf die Einstichstelledrücken, natürlich nicht so Heiss, dass es eine Verbrennung verursacht. Bei Mückenstichen klappt das Wunderbar.


    Das Problem ist, dass man das Gift auf eine gewisse Temperatur bringen muss, um die Proteine zu zerstören. Bei dem relativ kurzen Stachel einer Wespe mag das noch klappen. Aber eine Vogelspinne jagt einem ihr Gift unter Umständen deutlich Tiefer unter die Haut in das darunterliegende Gewebe/Muskeln. Und da bräuchte es von aussen eine Hitze, welche sowiso Gewebeschäden verursachen würde.

    Daher bleibt sowiso nur das Kühlen, um den Schmerz zu lindern und der Schwellung entgegen zu wirken.


    Wichtiger ist es einen anaphylaktischen Schock frühzeitig zu erkennen und den Patienten so ruhig wie möglich zuhalten, bis Hilfe eintrift. Unter keinen Umständen darf eine Person, welche einen anaphylaktischen Schock erleidet, gross bewegt werden. Den Patienten in eine Schocklagerung bringen und so gut wie möglich vor der Witterung schützen und ruhig halten ist das einzige was man tun sollte. Vorausgesetzt das Leben und die Gesundheit des Patienten und der Helfer ist durch äussere Faktoren nicht in Gefahr. Also nicht den Patienten direkt auf dem Wespennest oder mitten in einem Waldbrand in Schocklage bringen.


    Wenn einem einen Epipen zur verfügung steht unbedingt nutzen ( Eventuelle Passanten danach fragen, diese sollen dann auch bei der Anwendung helfen, sollte diese nicht ganz klar sein).


    Konikotomie (Feldversion):

    Wenn man jetzt wirklich auf dem hinterletzten Berggipfel ist, die Rettung länger braucht als es der Patient überlebt, da seine Kehle komplett zugeschwollen ist, dann kann man zur Konitomie schreiten.Dazu muss man zwischen Adamsapfel und der Schilddrüse in die Luftröhre schneiden und ein "Rohr" (der berühmte Kugelschreiber) durch die Öffnung in die Luftröhre einführen und darüber die Beatmung einleiten. Uns wurde beigebracht, damit zu warten, bis der Patient bewusstlos ist, sofern eine Sedierung nicht möglich ist.

    Ich muss nicht erklähren wass passiert, wenn man mit einem Messer am Hals einer Person bei vollem Bewusstsein herumfuhrwerkt.


    Achtung! Wenn man diese Technik nie unter Anleitung von Profis erlernt und geübt hat, gleicht die Anwendung einem Todesurteil. Selbst für Profis birgt die Feldversion einiges an Risiken.

    Allerdings muss man erwähnen, dass der Patient in einer solchen Situation ohnehin sehr wahrscheinlich Stirbt.


    Zu der Frage mit den Giften.

    Es gibt etliche Laienberichte dazu Den Bite Report auf Arachnoboard z.B.


    Es gibt auch einen haufen Studien. Hier empfehle ich mal auf google Scholar zu suchen. ( Z.B. "Chromatopelma cyaneopubescens poison")

    Wenn du nicht weisst, wie man eine Studie via DOI öffnet, kann ich dir per PN helfen.


    Gruss, Alveus

  • Vielen Dank für die ausführliche Antwort Alveus! :)
    Ich hätte vielleicht vorher dazu schreiben müssen, dass ich selbst im Medizinischen Bereich arbeite. Daher sind mir die regulären Erste-Hilfe-Maßnahmen für Insektenstiche und co. natürlich bekannt. Bin also nicht ganz ungeübt.
    Ich hätte nur tatsächlich geglaubt, dass es bei solchen Giften noch mal anders gehandhabt wird als über den klassischen Erste-Hilfe-Weg.
    Dennoch super lieb, dass du dir wirklich die Zeit und Mühe gemacht hast und ich denke, dass auch andere sich an deinem Beitrag bereichern können!

    Laienberichte hatte ich mir auch schon einige durch gelesen. Ich hätte nur gedacht, dass es irgendwo "offizielle" gesammelte Daten dazu gibt. Ich werde mich aber mal im Arachnoboard umsehen und mal ein wenig lesen und für meine Ordner was sammeln.. :)

    Ich hab das mit der Google Scholar suche parallel mal probiert und da findet man wirklich mehr als das was ich bisher an "Leienberichten" fand.

    Vielen dank für die liebe Hilfe.

  • Das was man als " "offizielle" gesammelte Daten" bezeichnen könnte, findest Du evtl. in den folgenden Artikeln.
    Die Nr. 5 ist schon ein etwas spezielleres Beispiel für die Nutzung eines Peptides, aus dem Gift einer Thrixopelma.



    1) Herzig, Hauke, Von Wirth (2015). Wie gefährlich sind Spinnentiere für den Menschen? - Ein Gutachten zur Beurteilung medizinisch-relevanter Spinnentiere zum Entwurf eines Gefahrtiergesetztes der Landesregierung Nordrhein-Westfalen. ARACHNE


    2) Hauke (2015). Mythos Spinnenbisse - Aktuelles aus der Literatur. ARACHNE


    3) Herzig, Hauke, Von Wirth(2018) Gefährliche Spinnen und Skorpione im Überblick: Eine Stellungnahme zu den in der bayerischen Gefahrtierliste erfassten Spinnentieren. ARACHNE


    4) Herzig, Hauke (2021). Muscle spasms – A common symptom following theraphosid spider bites? Toxicon


    5) Yan Jiang, Joel Castro, Linda V. Blomster, Akello J. Agwa, Jessica Maddern, Gudrun Schober, Volker Herzig, Chun Yuen Chow, Fernanda C. Cardoso, Paula Demétrio De Souza França, Junior Gonzales, Christina I. Schroeder, Steffen Esche, Thomas Reiner, Stuart M. Brierley, and Glenn F. King (2021). Pharmacological Inhibition of the Voltage-Gated Sodium Channel NaV1.7 Alleviates Chronic Visceral Pain in a Rodent Model of Irritable Bowel Syndrome. ACS Pharmacology & Translational Science 2021 4 (4), 1362-1378 DOI: 10.1021/acsptsci.1c00072

  • Hallo


    Wenn du auf scholar "[artenname der gesuchten spinne] venom potency" eingibst, findest du unter Umständen einen Artikel. Bei Poecilotherias und Pterinochillus wurde ich fündig.


    Allerdings merkt man schnell, dass sich die Wissenschaft eher auf den medizinischen Nutzen, als auf die Potenz des Giftes fokusiert.


    Suchen kannst du aber auch unter dem Begriff "clinical effects of theraphosidae bites"

    du kannst auch die Suchbegriffe anpassen. Es ist manchmal eine Kunst für sich, die richtigen Stichwörter einzugeben, um an eine passende Studie zu kommen.


    Ich hätte nur tatsächlich geglaubt, dass es bei solchen Giften noch mal anders gehandhabt wird als über den klassischen Erste-Hilfe-Weg

    Ohne Zugriff auf die Medizinische versorgung bleibt die Ersthilfe bei Giftbissen ungefähr gleich. Ob Kreuzspinne oder Taipan...

    Bei letzterem ist es aber eine Frage der Zeit... 45-60 Minuten nach dem Biss tritt der Tod durch Ersticken ein.


    Auch wenn einem überall von einem Tourniquet bei Schlangenbissen abgeraten wird.... Bei einem Biss einer solchen Schlange, wo die Verabreichung eines Atitoxins in unter 45minuten absolut unwahrscheinlich ist, würde ich dennoch ein Tourniquet anbringen, sofern möglich. Dies hat zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit die Amputation der betroffenen Extremität zur Folge, aber die Überlebenchance in einer solchen Extremsituation ist dennoch höher.


    So jetzt aber genug der Abschweidung in die Feldmedizin.


    Ah etwas habe ich vergessen. Auch wenn Vogelspinnen kein wirklich gefährliches Gift besitzen und sich meistens ohnehin nur mit einem Trockenbiss wehren, sollte jeder Biss ernst genommen werden. Denn der wahre Killer sitzt auf den Chelizeren. Nähmlich Bakterien.

    Also unbedingt die Wunde gründlich Waschen und Desinfizieren und beim kleinsten Anzeichen einer Infektion zum Arzt.


    Gruss, Alveus

  • Hallo,

    Kleine Anmerkung zur Mikrobiologie aus aktueller eigener Erfahrung:


    Tiefe Bisse mit kleiner Punktionswunde sind immer heikel. Antibiotikagabe reicht oft nicht aus und eine chirurgische Ausräumung kann erforderlich werden.

    Mich hat zwar noch keine Spinne gebissen, dafür aber eine meiner Katzen (hatte leider einen Krampfanfall, an dem sie später starb😢). Drei Stunden nach dem Biss nahm ich die erste Antibiotikatablette. Am nächsten Tag war der Biss dennoch infiziert, d. h. geschwollen und eitrig. Nach drei Tagen dann mit beginnender Sepsis im Krankenhaus. Vertragt ihr ein Foto der operierten Hand mit Tamponade? Wenn nicht: weggucken!


    Ich würde mit einer tieferen Spinnenbisswunde immer zum Arzt gehen. Nicht wegen dem Gift, aber wegen der Bakterien. Der Bisskanal ist ja noch enger als bei einem Katzenbiss. Das kann man selbst nicht ausreichend reinigen.

    Viele Grüße

    Irene

  • Danke ihr lieben!

    Alveus der Tipp mit den richtigen Schlagwörtern ist gold wert!! Da bekomme ich wirklich genau das raus, was ich brauche. Wirklich super. :)

    Irene Kirbs Die Erfahrung mit dem Biss habe ich leider auch schon hinter mir. Auch ein Katzenbiss. Aber die sind leider generell nicht ohne! Ist auf jeden Fall gut zu wissen, dass die Bakteriensituation an den Chelizeren genauso verhält wie bei Katzen, wo es ja vorwiegend an den "Mundbakterien" liegt. So hat man zumindest einen vorstellbaren Vergleich.

  • Hallo Shiro

    Die Bakterienstämme mögen andere sein, das grundsätzliche Problem ist das Gleiche: ein tiefer, aber sehr enger Stichkanal. Die Bakterien gelangen in Muskelgewebe und es blutet nicht ausreichend, um sie da wieder rauszuwaschen. Und wenn man drückt, um Blut und Schmutz quasi rauszuquetschen, bleibt immer noch genug, was man in der Wunde verteilt.

    Das ganze Gewebe schwillt dann an und die Antibiotika kommen nicht mehr richtig ran. Dann muss ein Arzt die Wunde öffnen und ausspülen.


    Wenn ich die Chelizeren einiger meiner Tiere so sehe, kann ich mir schon vorstellen, dass die es problemlos durch die Haut in Muskeln schaffen. Will ich lieber nicht ausprobieren. Und das Mikrobiom ist auch nicht ohne, wenn sie tagelang an einer toten Schabe rumgekaut haben. Nicht das gleiche wie bei einer Katze, aber sicher auch nicht besser.

    Liebe Grüße

    Irene

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